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Hin zur Kreislaufwirtschaft: Wie der Einzelhandel kreislauffähig wird

27. April 2023

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min. Lesezeit

In den letzten Jahren hat das Konzept der Kreislaufwirtschaft an Bedeutung gewonnen, da Einzelpersonen und Unternehmen bestrebt sind, Abfälle zu reduzieren, Ressourcen zu schonen und Nachhaltigkeit zu fördern. Insbesondere für den Einzelhandel bietet die Kreislaufwirtschaft einzigartige Möglichkeiten, traditionelle Geschäftsmodelle zu überdenken und die Art und Weise, wie Produkte entworfen, produziert und konsumiert werden, zu verändern. 
 
Der Schritt von der Theorie zur Praxis ist jedoch nicht ohne Hindernisse. Es gibt verschiedene Hindernisse, die bei der Umsetzung der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft überwunden und berücksichtigt werden müssen. Ziel dieses Blogbeitrags ist es, nicht nur die Problembereiche anzusprechen, sondern auch Beispiele aus der Praxis zu liefern, wie Kreislaufwirtschaft umgesetzt werden kann.  Mit diesem Fokus diskutieren wir:

  • widersprüchliche Trends in der Kreislaufwirtschaft,
  • praktische Beispiele von Unternehmen, die Kreislaufprinzipien eingeführt haben,
  • warum der Einzelhandel das Potenzial hat, eine Vorreiterrolle in der Kreislaufwirtschaft einzunehmen.

Zusammengenommen zeigen diese Punkte nicht nur den aktuellen Stand der Kreislaufwirtschaft, sondern auch ihr Potenzial und ihre Fähigkeit, in das Geschäftsmodell eines Einzelhandel-Unternehmens integriert zu werden.

Divergierende Tendenzen

Um das Potenzial der Kreislaufwirtschaft besser zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, wo die Kreislaufwirtschaft heute steht. So gibt es beispielsweise eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen, die von der Europäischen Union in Bezug auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft entwickelt wurden. Im Folgenden sind einige Beispiele für den für den Einzelhandel relevanten Rechtsrahmen aufgeführt:

  • Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD): Ein Gesetz, das Unternehmen dazu verpflichtet, Informationen über ihre Risiken und Chancen im Zusammenhang mit sozialen und ökologischen Fragen offenzulegen. Dies ermöglicht einer Vielzahl von Stakeholdern – von Investoren bis hin zu Verbrauchern – die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen zu bewerten.
  • Die Richtlinie über energieverbrauchsrelevante Produkte (Energy-Related Products, kurz ErP): Diese schafft Anreize für Hersteller und Händler, energieeffizientere Produkte herzustellen.
  • Die erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, kurz EPR): Sie verpflichtet Hersteller und Händler, die Verantwortung für die Umweltauswirkungen ihrer Produkte während des gesamten Lebenszyklus zu übernehmen und stellt sicher, dass Händler elektronische Geräte zurücknehmen, auch wenn der Verbraucher sie nicht bei ihnen gekauft hat.
  • Die „Green Claims“-Richtlinie, die Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) und die Richtlinie zu unlauteren Geschäftspraktiken (Unfair Commercial Practices Directive, kurz: UCPD): Diese Richtlinien zielen darauf ab, Greenwashing zu bekämpfen und die Langlebigkeit und Reparierbarkeit von Produkten zu verbessern. Sie sollen nicht nur klare Kriterien für Umweltaussagen und -praktiken festlegen, sondern auch den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft in Europa unterstützen.

Weitere Informationen über die CSRD und was sie beinhaltet, können Sie in unserem Blogbeitrag lesen: CSRD 2022 für deutsche Unternehmen erklärt. 


Doch trotz des Aufschwungs der gesetzlichen Regulierung und der Schaffung von Richtlinien und Gesetzen zur Bekämpfung nicht nachhaltiger Praktiken hat sich die Kreislaufwirtschaft im Laufe der Jahre weiter verschlechtert. Laut dem Circularity Gap Report 2023 lag der Prozentsatz aller weltweit gewonnenen und verwendeten Materialien, die in die Wirtschaft zurückgeführt wurden, bei 7,2 %. 2022 lag er zwar noch bei 8,6 %, aber damit bereits auch schon unter dem Wert von 2018 (9,1 %). Das bedeutet, dass immer weniger Materialien ihren Weg zurück in die Wirtschaft finden und stattdessen auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen landen. Doch wie Connor Hill, Gründer von inspire circular, sagt:

„Die Gesetzgebung kann ein großer Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft sein, doch wir sollten nicht auf die Gesetzgebung warten, um zu handeln.“

Das Narrativ ändern: Praxisbeispiele von Revivo (Vivobarefoot) & John Lewis

Es gibt eine Reihe von Beispielen für Unternehmen, die die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft anwenden, ohne auf die Gesetzgebung zu warten. Dazu gehören Revivo, die Re-Commerce-Abteilung von Vivobarefoot und John Lewis & Partners.  
 
Während des Webinars The Circular Economy & Retail: From Theory to Practice hob Connor Hill Revivo mit der folgenden Aussage hervor:

Ein Kunde kann seine Schuhe tausende Kilometer tragen, jedoch muss berücksichtigt werden, dass das Produkt verschleißt. Vivobarefoot hat eine Reparaturlösung entwickelt, um sicherzustellen, dass der Kunde, wenn er vor der Entscheidung steht, neue Schuhe zu kaufen oder die alten reparieren zu lassen, seine Schuhe zur Reparatur zurückgeben kann.

Gemeinsam sucht das Unternehmen nach Lösungen, um sicherzustellen, dass die Schuhe so lange wie möglich halten, und bietet gleichzeitig eine nachhaltige Reparaturlösung an (z. B. das erneute Auftragen von Sohlen, wenn dies erforderlich ist). Aber sie gehen noch einen Schritt weiter: Ein Kunde kann die Schuhe auch zurückgeben, das Unternehmen reinigt und repariert sie und verkauft sie dann weiter. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich, so Hill: „Normalerweise hat man nur eine Einnahmequelle, wenn man einen Schuh verkauft. Mit diesem System kann man den gleichen Schuh zweimal oder öfter verkaufen.“
 
Und Revivo ist damit nicht allein. Auch andere Unternehmen wie John Lewis & Partners haben proaktive Schritte unternommen, um die Kreislaufwirtschaft umzusetzen. „Bei John Lewis haben wir alle möglichen R's in Betracht gezogen – reduce, reuse, refill, recycle und so weiter. Und während wir diese R's erforschen, lernen wir aus den Herausforderungen - wie zum Beispiel dem Nachfüllen“, sagt George Barrett, Sustainability & Circular Economy Manager bei John Lewis & Partners. „Im Allgemeinen haben wir einige Gemeinsamkeiten festgestellt, wie zum Beispiel, dass die kleinsten Dinge, mit denen man beginnt, einen großen Einfluss auf den Kunden haben können. Zum Beispiel bringen wir den Kunden bei, mit einem Produkt auf eine Art und Weise umzugehen, wie sie es bisher nicht getan haben und wie es ihnen auch nicht beigebracht wurde.“

Und das ist erst der Anfang. Seit Oktober 2020 hat sich John Lewis & Partners der Kreislaufwirtschaft verschrieben. Bei der Einführung wurden die folgenden Punkte in der Kreislaufwirtschafts- und Abfallstrategie des Unternehmens genannt:

  • Bis 2025 wird es für alle Produktkategorien von John Lewis eine Rückkauf- oder Rücknahmelösung geben.
  • John Lewis wird die Möglichkeiten des nachhaltigen Verleihs und Wiederverkaufs für Verbraucher weiter verbessern.
  • Halbierung der Lebensmittelabfälle in der Lieferkette von Waitrose bis 2030, zusätzlich zu unserem bestehenden operativen Ziel für 2030.
  • Unterstützung der Kunden bei der Halbierung der Lebensmittelabfälle im Haushalt bis 2030.

Wie Barrett im Webinar erklärte, ist John Lewis & Partner der Meinung, dass

„Abfall eine Ressource ist, die in die falschen Hände geraten ist“.

 

Pioneerpotenzial im Einzelhandel

Wenn es um Kreislaufwirtschaft geht, kann der Einzelhandel im Allgemeinen ungenutztes Potenzial finden. Gary Lewis, CEO und Co-Founder von Resourcify, sagt: „Der Einzelhandel ist am weitesten fortgeschritten, wenn es um die Kreislaufwirtschaft geht – der Grund dafür ist die höchste Qualität und die größte Menge an Material. Wenn etwas mit der Kreislaufwirtschaft passieren soll, dann glaube ich, dass der Einzelhandel in der Lage ist, es als Erster zu tun und eine Vorreiterrolle für andere Branchen spielen könnte“. 

Aber warum bewegen sich nicht mehr Einzelhändler in Richtung Kreislaufwirtschaft, wenn es bereits Lösungen wie die Digitalisierung gibt? Lewis zufolge liegt es an der Komplexität. „Europa ist ein komplexes Feld mit unterschiedlichen Sprachen und Vorschriften. Und wenn man als kleines Team in der Zentrale versucht, eine Strategie für Standorte in ganz Europa umzusetzen, kann das sehr schwierig sein. Aber mit den Mitteln der Digitalisierung kann es einfacher sein, den nächsten Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft zu machen.“

Die Zukunft der Kreislaufwirtschaft im Einzelhandel

Unternehmen wie John Lewis & Partners und Vivobarefoot haben bereits die Initiative ergriffen und die Kreislaufwirtschaft in ihre Geschäftsmodelle integriert, ohne auf die Gesetzgebung zu warten. Wie im Webinar diskutiert, mögen die Herausforderungen groß und entmutigend erscheinen, aber es lohnt sich und es ist die Zukunft. Wo auch immer Sie ansetzen, „fangen Sie klein an, denn nichts zu tun ist keine Option“, wie Barrett es ausdrückte.

 

Die Kreislaufwirtschaft: Einzelhandel neu gedacht für eine nachhaltige Zukunft
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